ഓരോ എഴുത്തുകാരിയുടെ ഉള്ളിലും (2012)

Nach wiederholten Wortgefechten beschloß ich zu gehen. Ich packte die nötigsten Kleider, Bücher und Schreibzeug. Darauf schickte ich ein Telegramm an Tante Mabel und informierte sie über meine Ankunft. Dann rief ich Purshottaman an und teilte ihm mit, ich hätte ein Telegramm an Tante Mabel geschickt und würde mit dem Abendzug fahren.

»Diese Tante gibt es doch gar nicht. Mach nicht schon wieder Ärger.« Purushottaman wiederholt sich. »Du wartest, bis ich nach Hause komme! Von wo rufst Du an?«

Ich höre, wie er den Hörer wütend auf die Gabel knallt. Typisch Purushottaman. Hindert mich daran, zu Tante Mabel zu fahren. Das kenne ich inzwischen schon. Aber diesmal – ich muss fort!

Gestern lag ich auf einer Grasmatte im Gang, in Gedanken ganz bei meinem neuen Werk. Ich wollte unbedingt einen Roman über ein bedeutendes Sujet schreiben. Da waren auf einmal undeutliche Schatten in der Ecke des Ganges. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ich begriff, daß die Wände sich bewegten. Sie zitterten und bewegten sich hin und her. Noch bevor mir meine Angst bewusst wurde, glitten die Mauern auf mich zu und wollten mich schier erdrücken. Es wurde stockdunkel und beklemmend eng. Ich bekam keine Luft mehr und schlug wie eine Wahnsinnige mit Armen und Beinen gegen die Wände, die mich wie von Geisterhand bewegt bedrängten.

Einmal war ich nach draußen gegangen. Als ich zurückkomme und die Tür öffnen will, biegen sich die Eisengitter, als wären sie aus Wachs, und drohten, mich zu erwürgen. Ein andermal steht das schmutzige Geschirr unter dem Wasserhahn plötzlich auf und beginnt zu sprechen, säuerliche Essensreste zu gebären und unverfroren durch Küche und Eßzimmer zu tanzen. Ich stolpere und stürze, kotze meine Eingeweide aus, wie eine Figur aus einem absurden Theaterstück. Es reicht! Widerlich. Ich will endlich meine Ruhe.

In Tante Mabels Haus gibt es keine Mauern. Es gibt nur hauchdünne, betörend schöne Stoffwände. Keine Gitter, keine Schlösser. Innen feines Geäder. Das Dach ein Geflecht vibrierender Nerven.

Im Hintergrund eine weite, offene Meerlandschaft. Ich habe dort ein eigenes Zimmer, wo ich Schreiben und Lesen kann, mit drei Fenstern, jedes in eine andere Richtung. Tante Mabel breitet niemals schmutzige Wäsche auf meine Gedanken. Nie hängt sie meinen Ideen einen Mahlstein um.

Schon länger findet mein Leben nur noch in meiner Phantasie statt. Was mich belastet, verarbeite ich in meinem Schreiben, alltägliche Verrichtungen führe ich rein mechanisch aus. Und wenn ich die Außenwelt nicht mehr ertragen, breche ich zusammen. Könnte ich mich an solchen Tagen doch bloß zusammenrollen! Könnte ich mich doch einrollen in das Urdunkel, die Stille des Mutterleibs! Was ich zu sagen habe, kann ich nur in äußerster Abgeschiedenheit sagen. Was ich brauche, ist ein Geburtszimmer. Ein Geburtszimmer ohne Verbindung zur Außenwelt.

Schreib, wie du bisher geschrieben hast, das reicht doch, würde Purushottaman von mir verlangen. Geschrieben habe ich bis jetzt viele fromme Lobgesänge, Hymnen und Liebeslieder. Jede Menge Lieder über die Liebe. Die Liebe von Radha und Krishna - mein Lieblingsthema. Ich war trunken von Trennungsschmerz und Entsagung. Am eigenen Leib habe ich erfahren, daß unerfüllte Leidenschaft und Liebe Krishna zu Füßen gelegt werden können. Illusion als Realität zu erleben - in dieser Zauberkunst habe ich es zu wahrer Meisterschaft gebracht.

Trotzdem wurden bei den entscheidenden Schriftstellertreffen meine Arbeiten jedesmal abgelehnt. Die Herren Schriftsteller keiften, in einer Welt des Hungers sei Liebe Luxus. Wie sehr bereue ich, nur Frauenfiguren entworfen zu haben, die Blumenopfer immer zu denselben Füßen darbrachten, endlos Tränen vergossen und Tag und Nacht flennend und mit hängendem Kopf hinter verschlossenen Türen hockten. Jetzt will meine Wahrheit heraus. Jetzt ist es Zeit, daruber zu sprechen, wie ich Liebe erfahren habe; als Klumpen Schleim, der mir ins Gesicht gespuckt wurde, und Mutterschaft, eine eiserne Kette, die mich langsam erwürgt.

Was ich brauche, ist Rulhe und Muße. Kaum sinke ich in den Liegestuhl auf der Veranda und versuche, an etwas sehönes zu denken, komnt mir Purushottamans schmutzige Unterwische aus dem Schlafzimmer entgegengeflattert . Mit beißendem Gestank bricht sie über mich herein, ein Stück nach dem anderen, klatscht mir ins Gesicht, legt sich auf meinen Nacken, meine Brust, schneidet mir den Atem ab, Wie ein Schwert trifft mich die Kränkung ins Herz. Ich muß weg! Bevor Purushottaman zurück ist, muß ich mit gepackter Tasche auf der Schwelle stehen.

Was wird aus den Kindern, wird Purushottaman sicher fragen. Ich werde ihm klarmachen, daß ich diese Frage nicht als Ausdruck von Hilflosigkeit, sondern als versteckte Aggression verstehe. Nichts würde mehr so sein wie früher. Das muß er begreifen.

Ich kann nicht ausschließen, daß mir bei Tante Mabel die Erinnerung an die Kinder immer wieder Unbehagen bereiten wird. Wenn sich am Abend die Dämmerung auf das Meer senkt, wird meine Seele über die Wasser schweben wie ein heimatloses Wiegenlied. Die Trennung n den Kindern wird mir das Herz zerreißen. Aber ich brauche den Abschied, um mich neu zu erschaffen.

Ob die Wände dann statt meiner Purushottaman zusetzen werden, weiß ich nicht. Aber er hätte ja schließlich die kräftigeren Muskeln und, wie er sich auszudrücken pflegt, »mehr Grips« als ich. Soll er doch davon Gebrauch machen, statt hilflos herumzujammern.

Woher ich das Geld für die Reise nehmen soll, weiß ich noch nicht. Ich will ja nicht bloß zu Tante Mabel fahren. Nur wenn ich von einem Fensterplatz in die Welt hinaus sehen und ohne festes Ziel durchs Land reisen kann, wird mein Atem meinem Werk Gestalt geben können.

Ob mir Tante Mabel Geld leihen kann, weiß ich nicht. Wie sie es wohl schafft, für die täglichen Ausgaben und das schöne Haus mit Garten aufzukommen! Manchmal kocht sie nicht. Dann schlägt sie vor, ich solle außer Haus Essen gehen. So ein einsamer Strandspaziergang wirkt ungemein belebend. Ich habe Augen und Ohren weit geöffnet. Diese abendlichen Ausflüge genieße ich in vollen Zügen, schlendere durch Straßen und Gäßchen, sehe alles, höre alles, und kehre schließlich mit einem kleinen Essenspaket zu Tante Mabel zurück. Mein Innerstes gerät in Bewegung, endlich regen sich wahre Gefühle. Stolz richte ich mich auf, hebe meinen Kopf.

Wahrscheinlich werden sich in Tante Mabels Stadt Schriftsteller meiner Generation treffen. Bei keinem dieser Treffen könnte ich bis zu Ende bleiben, zu arg schneidet mir der Panchaloha-Fußreif ins Fleisch. Den hat mir meine Mutter bei meiner Geburt anpassen lassen. Aber als ich größBer wurde, wuchs er mir ein. Er scheuerte unablässig, prägte sich mir tief ins Bewußtsein und legte Eier in mein Fleisch, aus denen lauter kleine Ringe schlüpften, die durch die höllischen Schmerzen, die sie mir zufügten, ebenfalls unmißverständlich ihr Dasein kund taten.

Abends sehe ich oft zwei miteimander befroundeten Dichtern zu, wie sie auf dem Brückengeländer über dem Fluß sitzen und sich so angeregt über Literatur unterhalten, daß sie darüber die Zeit vergessen. Es waren ihnen stattliche, golden glänzende Schwingen gewachsen, die sich im Wind, der vom Fluß her weht, zu voller Größe entfalten. Ihre goldenen Schwingen funkeln im Abendsonnenschein. Ein wahrhaft ergreifender Anblick. Ständig waren sie umringt von Menschen, die ihren Worten lauschten und sie anstaunten.

Wie gerne hätte ich, wenn ich Gemüse kaufen war oder auf dem Rückweg vom Kinderzt, mich unter die Zuhörer gemischt. Die Dichter in ihren langen Gewändern mit ihren langen Bärten unterhielten sich. Man muss die richtige Einstellung zu den Problemen entwickeln. Sagten sie. Ihnen zuzuhören kann das eigene Leben tiefgreifend verändern.

Gerne wäre ich länger geblieben, um mehr von ihrem Gespräch mitzubekommen. Sie aber blickten auf das welkende Gemüse, das Kind, das den Tränen nahe war oder in die hereinbrechende Dämmerung. Erinnerten mich an die fortgeschrittene Stunde. Manchmal breiteten sie auch die Flügel aus und boten mir höflich an, mich nach Hause zu begleiten. Aber niemals setzten sie ihr Gespräch dort fort, wo sie es abgebrochen hatten.

Auch als sie auf meine Einladung hin zu mir nach Hause kamen, saßen sie die ganze Zeit auf der Veranda und sprachen mit Purushottaman, während ich in der Küche mit Kochen und dem Tee zu tun hatte. Als ich endlich die leergegessenen Teller weggetragen und das Eßzimmer aufgeräumt hatte, kam ich nach draußen, voller Ideen, was ich ihnen alles sagen wollte; aber sie gähnten nur, bedankten sich für das köstliche Mahl und flogen auf und davon, ein herrliches Farbenspiel am Abendhimmel.

Sicher wäre es möglich an einer Schriftstellerversammlung in Tante Mabels Stadt teilzunehmen. Vielleicht brächte ich kein Wort heraus vor so vielen Leuten. Aber mein Geist würde alles aufsaugen, wie eine ausgetrocknete Wüste den Regen. Was für eine Schande ausgeschlossen zu werden, nur weil man zarte Haut und einen weichen Körper hat! Ich darf nicht jedesmal wegbleiben, um meine Haut zu schützen, mein unruhiger Geist verlangt ständig nach Nahrung. Es reicht nicht Teetassen zu zerschlagen, ich muß meine Wut wirklich herauslassen.

Dass Purushottaman nicht da ist, genügt noch lange nicht, den Damm zu brechen, der meine Gedanken blockiert. Zu sehr bin ich gewohnt, mit ihm zusammen zu literarischen Diskussionen zu gehen, zu sehr, daß er die ganze Zeit auf die Uhr schaut. Spätestens gegen sechs beginnt er zu gähnen, stößt mich heimlich an und drängt mich, unauffällig zu gehen. Während Tante Mabel mich als erstes immer danach fragen würde, wie gut ich mich ins Gespräch hatte einbringen können. Dann könnte ich mich angeregt auf meinem Bett zurücklehnen. Oder ich könnte mit klarem, wachem Verstand schreiben, könnte mich dem Rauschen des Meeres hingeben und über meine Arbeit nachdenken.

Nun ist die Tasche gepackt, ich bin reisefertig. Jetzt brauche ich nur noch einen guten Freund, der mir Geld leihen könnte.

Es war mein Freund Jayadevan, der mir Tante Mabels Haus als geeigneten Ort zum Schreiben empfohlen hatte. Es herrschte ein wunderbarer Einklang zwischen uns beiden. Wenn wir gemeinsam gelesen oder geschrieben hattop und darüber sprachen, waren unsere Seclen vollkommen eins. Jayadevans Kopf sprühte vor Ideen, er brachte mich auf ungeahnte Gedanken. In den Tagen mit ihm hat mein Schreiben eine neue Dimension und Dichte gewonnen.

Tante Mabels Haus ist so herrlich ruhig, es wäre das ideale Liebesnest. Sie fände es bestimmt schön, wenn wir uns ineinander verlieben würden. Aber ich hatte nicht vor mich in Jayadevan zu verlieben. Auch für Jayadevan mußte nicht aus jeder Beziehung zwangsläufig eime Liebesgeschichte werden. Die Freundschaft, die zwischen uns wuchs, war absolute Seeligkeit. Wir entdeckten unsere verlorene Kindheit wieder und breiteten sie lachend, streitend und laut singend vor Tante Mabel aus. Jedesmal wenn ich Purushottaman von dieser innigen Freundsehaft erzahle, explodiert er.

»Unsinn! Welche Tante Mabel? Welcher Jayadevan? Bleib auf dem Bodenl« Purushottaman weiß nur zu gut, wie man mich zur Weißglut treibt. Aber jetzt ist mir klargeworden, daß ich seine Spielchen durchschaue und kann gehen.

Bevor Purushottaman zurück ist, muß ich reisefertig auf der Schwelle stehen. Dlesmal werde ich nicht zögern, nicht wieder ins Haus zurückgehon und mich unter keinen Umständen auf eine Diskussion einlassen. Wenn seine ganzen Tricks versagen, käme Purushottaman bestimmt wieder mit der alten romantischen Lüge, ein Leben ohne mich sei unmöglich.

Ich habe die Tasche über die Schulter gehängt und mein ganzes Geld zusammengekratzt. Ich war noch nicht an der Tür als Purushottaman keuchend hereingestürmt kam. »Schon wieder?«, fragte er nach Atem ringend. Ich sah ihn spöttisch an. Beschwichtigend wollte er die Tasche vop meiner Schulter nehmen, aber ich stieß ihn zurück und hatte mit einem einzigen Satz die Schwelle erreicht.

»Ich gehe zu Tante Mabel...« Ich trat über die Schwelle. »Wer ist diese verdammte Tante Mabel?«, schrie Purushottaman. Laß ihm seine Spielchen. Ich ging.

Als ich das Tor hinter mir zugeschlagen hatte, schaute ich zu Purushottaman zurück. Er stand starr auf der Schwelle. Als hätte ihn jemand bestraft. Wer und warum - soll er es doch selbst herausfinden. Ich kann ihm dabei nun wirklich nicht helfen.

Beschwingt schritt ich dahin. Immer wieder griffen meine Hände aus bis zum Horizont. Der Wind strich mit seinen Flügeln durch mein Haar und die Falten meiner Kleider. Mein Haar löste sich, flog auf bis zum Himmel, der Rock wirbelte im Kreis und breitete sich über die ganze Erde.

Herzlichen Dank an die Autorin Frau Sara Joseph für die freundliche Genehmigung dieser Kurzgeschichte im Original, und Prof. Dr. Heike Obelin, die uns freundlicherweise erlaubt hat, ihre Übersetzung hier zu veröffentlichen. Diese Übersetzung wurde bereits in "die horen, Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik", 51. Jahrgang , Band 3. / 2006 Ausgabe 223. Herausgegeben von Johann P. Tammen. Redaktion Peter K. Kirchhof, Hansaallee 165, 40549 Düsseldorf. S. 33-37 veröffentlicht.